Warum es klug sein kann, die eigene Plattform-Software auch an Konkurrenten zu lizenzieren
Viele Unternehmer tun sich schwer mit dem Gedanken, ihre eigene Plattform-Software auch Wettbewerbern als Whitelabel-Lösung anzubieten. Vor allem dann, wenn die Anfragen von größeren, etablierten Playern kommen. Der Reflex ist verständlich: Warum sollte man dem Wettbewerb dabei helfen, noch stärker zu werden? Warum die eigene Technik, in die man Monate oder gar Jahre investiert hat, anderen zugänglich machen – womöglich noch unter deren Logo?
Diese Bedenken sind weit verbreitet. Sie wirken vernünftig, fast selbstverständlich. Und doch verbergen sich dahinter oft Denkfehler, die wertvolle Chancen kosten. Denn der Markt folgt nicht dem Wunsch nach Kontrolle, sondern der Logik von Angebot und Nachfrage. Und wer nicht bereit ist, seine Software zu teilen, wird früher oder später von anderen überholt, die es tun.
Die Illusion der Exklusivität
Technologie ist kopierbar. Immer. Wenn eine Lösung gut ist und einen echten Bedarf deckt, wird sie sich durchsetzen – egal ob über das Original oder einen Nachbau. Wer glaubt, den Markt durch Abschottung kontrollieren zu können, unterschätzt die Dynamik heutiger Ökosysteme. Der entscheidende Punkt ist also nicht, ob andere die eigene Lösung nutzen, sondern ob man daran beteiligt ist – und in welcher Rolle.
Wer seine Plattform aktiv als Whitelabel anbietet, behält die Kontrolle über die Rahmenbedingungen: über Lizenzmodelle, Preisgestaltung, Funktionsumfang, Updates, Support. Das schafft Spielräume, die dem reinen Wettbewerb sonst verschlossen bleiben.
Lernen vom Wettbewerb
Ein oft unterschätzter Aspekt: Wenn andere – selbst Konkurrenten – die eigene Software nutzen, entsteht ein ungeahnter Wissensvorsprung. Man sieht, wie sie die Lösung einsetzen, welche Features sie priorisieren, welche Prozesse sie bauen. Diese Einsichten sind wertvoller als jede Marktforschung. Sie zeigen in Echtzeit, wo die Produktentwicklung ansetzen sollte – und wie andere den Markt lesen.
Ich selbst habe diese Erfahrung mehrfach gemacht. Durch die Lizenzierung unserer Plattform-Technologie an externe Partner – darunter auch direkte Wettbewerber – konnten wir unsere Roadmap schärfen, Prioritäten neu setzen und Features entwickeln, die wir ohne diesen externen Input nie auf dem Schirm gehabt hätten.
Marktpräsenz ohne zusätzlichen Vertrieb
Whitelabel bedeutet: Deine Software arbeitet im Hintergrund. Die Marke des Partners steht im Vordergrund – aber die Architektur bleibt deine. Das mag im ersten Moment nach Verzicht klingen, ist in Wahrheit aber ein Multiplikator: Jeder, der deine Software vertreibt, verbreitet dein System – mit seinem Vertrieb, seinem Marketing, seinem Budget. Und du verdienst mit.
Diese Form von Marktdurchdringung ist extrem effizient. Sie spart Kosten, reduziert Risiko und erhöht die Sichtbarkeit deiner Lösung – selbst wenn sie unter anderem Namen läuft. Mit jedem neuen Whitelabel-Partner wächst dein Einfluss. Dein System wird zur unsichtbaren Infrastruktur eines wachsenden Ökosystems.
Risiken erkennen – und steuern
Natürlich ist das Lizenzieren an Wettbewerber kein Freifahrtschein. Es gibt Risiken. Doch sie entstehen nicht durch das Modell an sich, sondern durch mangelnde Vorbereitung. Die entscheidende Frage ist nicht ob, sondern wie man lizenziert.
Die wichtigsten Stellschrauben:
– Klare Lizenzverträge. Sie müssen präzise regeln, was erlaubt ist und was nicht. Nutzungsrechte, Sub-Lizenzierung, Markenführung, Exklusivität – all das gehört sauber definiert.
– Funktionsdifferenzierung. Nicht alle Features müssen lizenziert werden. Es ist strategisch sinnvoll, gewisse Module exklusiv im eigenen Produkt zu behalten.
– Preismodell mit Weitblick. Die Lizenzierung muss sich für beide Seiten lohnen – kurzfristig wie langfristig. Rabatte, Volumenstaffeln, variable Komponenten: All das kann helfen, ein tragfähiges Modell zu entwickeln.
Wettbewerb ist kein Störfaktor – sondern Realität
Viele Unternehmer versuchen, sich vor Konkurrenz zu schützen, indem sie sich abschotten. Aber Wettbewerb lässt sich nicht aufhalten. Die Frage ist nicht, wie man ihn verhindert, sondern wie man ihn mitgestaltet. Wer strategisch lizenziert, wird zum Taktgeber – nicht zum Getriebenen.
Ich habe diesen Weg bewusst eingeschlagen – nicht aus Idealismus, sondern aus Kalkül. In beiden Fällen, in denen ich meine Software an andere lizenziert habe, konnte ich mein Produkt schneller etablieren, mein Team besser auslasten und mein Unternehmen robuster aufstellen.
Fazit: Angst bremst – Strategie beschleunigt
Wer seine Plattform-Software nicht an Wettbewerber lizenziert, verpasst oft eine doppelte Chance: Er verzichtet auf Einnahmen und auf Einfluss. Beides ist langfristig gefährlicher als ein potenzieller Kontrollverlust. Denn Kontrolle behält nur, wer sich aktiv einbringt – nicht wer sich zurückzieht.
Die eigentliche Frage lautet also nicht: „Soll ich meine Software lizenzieren?“, sondern:
„Unter welchen Bedingungen ist es für mich strategisch sinnvoll?“
Und genau hier beginnt unternehmerisches Denken.
Du kannst gerne auf meinen Beitrag „Whitelabel-Dilemma: Die eigene Software an die Konkurrenz verkaufen?“ auf LinkedIn antworten. Ich würde mich sehr darüber freuen.